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Thematische Grundstruktur
MaschinenAtem orientiert sich an zwei Themen, die bei der Beobachtung der MenschMaschinebeziehung und ihrer Beschreibung auffallen.
Es ist zum einen die historische Entwicklungslinie der modernen, soziotechnischen Gesellschaft. In Hinblick auf das Auftreten selbstbewegender Maschinen (Automaten) setzen wir dazu im 17./18. Jahrhundert an. Hier fällt eine tiefgehende Faszination an der Mechanik ebenso auf, wie eine auf Kunst und Künstlichkeit bezogene Wahrnehmung technischer Artefakte. Maschinen sind in diesem Zeitraum den Wunderwerken näher als den Werkstätten. Sie liefern auch das Modell für die entstehende naturwissenschaftliche Beschreibung von Gesellschaft und Natur (das große mechanische Uhrwerk der Welt).
Die zweite historische Phase der gesellschaftlichen Beziehung von Mensch und Maschine ist die Phase der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Die intellektuelle und künstlerische Faszination an den Maschinen weicht nun dem Nutzenkalkül und der Gewinnmaximierung. Maschinen sind Produktionsmittel und bestimmen die Produktionsverhältnisse durch ihre Kraftentfaltung und Produktionsleistung.
Als dritte Phase möchten wir dem Projekt die Phase der virtuellen Maschinen zugrunde legen, die ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginnt. Wir sehen uns hier einer merkwürdigen Mischform an Themen und Beschreibungen konfrontiert, die aus den beiden vorangegangenen Phasen herrühren. Aus dieser uneindeutigen Wahrnehmungssituation heraus zeichnet sich aber etwas Neues ab. Diese neue MenschMaschinebeziehung scheint uns am treffendsten mit dem Konzept einer 'künstlichen Evolution', sowie demjenigen einer 'Metamaschine' benannt.
Diese Maschinensysteme zeigen immer deutlicher die Anzeichen künstlichen Lebens und komplexer Kommunikation. Menschen agieren hierbei weit weniger 'mit' als 'in' diesen Maschinen, wenn sie in Interaktion mit ihnen die jeweilige Lebenswelt entwerfen.
Zum anderen fällt eine Erkenntnisstruktur ins Auge, die mehr kunsthistorischer oder kunsttheoretischer Natur ist. Diese Erkenntnisstruktur ist aber nicht völlig von der soziohistorischen Entwicklung isoliert.
Es handelt sich dabei um eine Trennung der gesellschaftlichen Beschreibung von Maschinen von derjenigen der Kunst und künstlerischen Praxis, die mit der Aufklärung einsetzt und sich während der Industrialisierung vollzieht. Maschinen werden in diesem Interpretationsprozeß mehr und mehr 'entzaubert' (Weber). Sie erscheinen nicht mehr als Bestandteil der Sphäre des Künstlichen und Kunstvollen, stattdessen werden sie als Instrumente betrachtet. Zugleich rücken sie von der menschlichen Lebenswelt weg in einen Bereich der kalten Logik. Dieser semantische Bruch spiegelt sich bis heute auch im Sozialen wieder. Die immer noch gültige Differenz der 'two cultures' (Snow), hier; technischnaturwissenschaftliche, dort: künstlerischgeistige Intelligenz, muß als Ausdruck dieser interpretatorischen Bruchlinie verstanden werden.
Dennoch zeichnet sich derzeit eine tastende Annäherung der beiden Bereiche ab. Wir sind der Überzeugung, daß das Auftreten des Computers als 'unspezifische' Maschine, sowie die wachsende Komplexität einer globalen, medialen Kommunikation, wesentlich zu einer Neubewertung von Mensch und Maschine, Natürlichkeit und Künstlichkeit, Ars und Technae, beitragen. Vielleicht befinden wir uns derzeit in einer soziokulturellen Umbruchsituation, in der dieses grundlegende Verhältnis, des Menschen zu seinen Werken auf allen Ebenen neu geordnet wird.
Da diese Themenstrukturen bislang nur diffus zu erkennen sind, haben wir sie zum Thema eines theoretischkünstlerischen Erkundungsprojekts gemacht. In diesem kommt der Kunst, entsprechend ihrer Möglichkeiten, die zentrale Rolle zu, das Unbeobachtbare sichtbar zu machen. |